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Passung und Ausbildungsadäquanz

(Zwei überdimensionierte rote Puzzleteile, die von einer Frauen- und Männerhand zusammengeführt werden (Quelle: energyy/iStock) Quelle: energyy/iStock

Der Bevölkerungsrückgang führt zu einer Abnahme potenzieller Arbeitskräfte. Andererseits verändert sich die Berufsstruktur hin zu wissensintensiven Berufen. Die Gesellschaft kann den neuen Erfordernissen des Arbeitsmarktes nur gerecht werden, wenn das Humankapital bestmöglich genutzt wird.

Aus individueller und gesellschaftlicher Perspektive sollten Humankapitalressourcen optimal genutzt werden. Die Passung von Personen und Tätigkeiten im Hinblick auf die Fachlichkeit, die Kenntnisverwertung, das Niveau und die Fähigkeiten ist somit von hoher Bedeutung.

Unzureichende Passung hat wirtschaftliche und individuelle Folgen
Wenn relevante Anteile der Erwerbstätigen ihre erworbenen Qualifikationen bzw. ihre erlernten Fertigkeiten und Kenntnisse im Beruf nicht anwenden können, kommt dies einem hohen Human­kapitalverlust gleich. Denn das Bildungs- und Beschäftigungssystem in Deutschland sind eng miteinander verknüpft, die Arbeitsmärkte stark nach Berufen segmentiert. Der Verlust berufsspezifischen Humankapitals erhöht daher das Risiko unterwertiger Erwerbstätigkeit. Tätigkeiten, die vom Anforderungsniveau her unterhalb des Qualifikationsniveaus des Arbeitsplatzinhabers liegen, gehen für die Betroffenen mit Einbußen im Einkommen und der Arbeitszufriedenheit einher. Dennoch sind berufliche Wechsel nicht per se mit einer Dequalifizierung gleichzusetzen. Und auch der Zusammenhang zwischen qualifikationsbezogener und fähigkeitsbezogener Passung ist nur moderat. Die Passung von Person und Tätigkeit im Hinblick auf die Fachlichkeit, die Kenntnisver­wertung, das Niveau und die Fähigkeiten sollte daher regelmäßig erfasst werden. Auf betrieblicher Ebene ist die Veränderung der Zufriedenheit der Betriebe mit den Kompetenzen der Mitarbeiter/-innen ein wichtiger Indikator für ein Mismatch-Problem.

Kompetenzen und Anforderungen

Fähigkeits- und qualifikationsbezogene Passung im Zeitvergleich

Die Fachkräftesituation hängt nicht nur von der zur Verfügung stehenden Anzahl erwerbsfähiger Personen ab, sondern auch von der Passung von Arbeitsangebot und -nachfrage. Hierbei können zwei Arten von Passung unterschieden werden. Während die fähigkeitsbezogene Passung sich auf die Übereinstimmung zwischen den Anforderungen auf dem Arbeitsplatz und den eingebrachten Kompetenzen der Erwerbstätigen bezieht, wird bei der qualifikationsbezogenen Passung die Übereinstimmung mit den formalen Bildungsabschlüssen der Erwerbstätigen betrachtet.

Fähigkeitsbezogene Passung
Die Reduzierung von Mismatch am Arbeitsmarkt wird von der OECD als ein wichtiges arbeitsmarktpolitisches Ziel betrachtet. Die fähigkeitsbezogene Passung ist eine Voraussetzung für produktives Arbeiten. Die fehlende Passung zwischen Kenntnissen und Fertigkeiten der Beschäftigten und den Anforderungen des Arbeitsplatzes (auch Skills-Mismatch genannt) geht daher auch mit einer geringeren Arbeitszufriedenheit bei den Beschäftigten einher.

Säulendiagramm, das die fähigkeits- und qualifikationsbezogene Passung im Zeitvergleich zeigt. Wird im Text erläutert. Fähigkeits- und qualifikationsbezogene Passung im Zeitvergleich Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)

In den BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragungen wurden die Erwerbstätigen diesbezüglich gefragt, ob sie sich den fachlichen Anforderungen in der Regel gewachsen fühlen, oder ob sie sich eher überfordert oder eher unterfordert fühlen. Hinsichtlich der fachlichen Anforde­rungen fühlten sich 2018 fast dreimal so viele Erwerbstätige unterfordert (13,0 %) wie überfordert (5,0 %). Das Ausmaß der Unter­forderung am deutschen Arbeitsmarkt hat sich seit 2006 leicht reduziert von noch 13,8 % im Jahr 2006 (2012: 12,7 %). Das Ausmaß der Überforderung hat sich nur geringfügig erhöht von 4,6 % der Erwerbstätigen im Jahr 2006 auf 5,0 % im Jahr 2018. An der Passungsquote hat sich demzufolge im Zeitverlauf nur wenig verändert. Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Fachkräftemangels sind unterforderte Erwerbstätige eine Gruppe, die es näher zu untersuchen gilt.

Qualifikationsbezogene Passung
Die Passung von Qualifikationen und Arbeitsplatzerfordernissen ist ein Maßstab für die Ver­knüpfung von Bildungssystem und Arbeitsmarkt. Entspricht die individuelle formale Qualifikation nicht dem Anforderungsniveau der Tätigkeit, liegen eine Über- oder Unterqualifizierung vor. Der taxifahrende Soziologe ist ein oft herangezogenes Beispiel für dieses Phänomen, das bei Personen ohne Ausbildungsabschluss definitionsgemäß nicht auftreten kann. Überqualifizierung geht mit geringeren Löhnen und einer geringeren Arbeitszufriedenheit einher. Die Unterqualifizierung, wenn also das das Anforderungsniveau der Tätigkeit höher ist als das eingebrachte Qualifikationsniveau, kann per Definition nur die untere und mittlere Qualifikationsebene betreffen und ist als beruflicher Aufstieg zu werten.

Im Zeitvergleich ist zu beobachten, dass die Anzahl an Erwerbstätigen, die überqualifiziert sind (die über ein höheres Qualifikationsniveau verfügen als für den Arbeitsplatz erforderlich wäre), leicht gestiegen ist (von 20,6 % im Jahr 2006 auf 21,3 % im Jahr 2018). Die Quote der Unterqualifizierung ist hingegen leicht gesunken von 9,7 % im Jahr 2006 auf 9,3 % im Jahr 2018.

Datentabelle:
Fähigkeits- und qualifikationsbezogene Passung (xls, 38 KB, Datei ist nicht barrierefrei)

Fähigkeitsbezogene Passung nach Qualifikationsniveau 2018

Die Übereinstimmung zwischen den Anforderungen in der Arbeit und den eingebrachten Kompetenzen (fähigkeitsbezogene Passung) ist eine Voraussetzung für produktives Arbeiten. In den BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragungen wurden die Erwerbstätigen diesbezüglich gefragt, ob sie sich den fachlichen Anforderungen in der Regel gewachsen fühlen, oder ob sie sich eher überfordert oder eher unterfordert fühlen.

Hinsichtlich der fachlichen Anforderungen fühlten sich 2018 fast dreimal so viele Erwerbstätige unterfordert (13,0 %) wie überfordert (5,0 %). Unterschiede nach dem Qualifikationsniveau zeigen sich insbesondere im unteren Bereich. 21,5 % der Erwerbstätigen ohne Berufsabschluss fühlen sich in ihrer Arbeit im Hinblick auf die fachlichen Anforderungen unterfordert. Unter Erwerbstätigen mit Berufsausbildung sind es nur 13,3 % und bei Erwerbstätigen mit Tertiärabschluss liegt die Quote bei jeweils rund 10 %. Auffallend ist auch der hohe Anteil unter Erwerbstätigen ohne Berufsabschluss, die sich überfordert fühlen (9,2 %). Der Anteil liegt rund fünf Prozentpunkte höher als bei Akademiker/-innen. Dies verdeutlicht, dass die Gruppe der formal nicht Qualifizierten im Hinblick auf die vorliegenden Kompetenzen sehr heterogen ist.

Datentabelle:
Fähigkeitsbezogene Passung nach Qualifikationsniveau 2018 (xls, 38 KB, Datei ist nicht barrierefrei)

Zufriedenheit der Betriebe mit beruflichen Kompetenzen der Beschäftigten 2012

Neben fachlichen Qualifikationen spielen berufliche Kompetenzen eine entscheidende Rolle für die Einsatzmöglichkeiten von Beschäftigten und deren Tätigkeitsprofile. Daher wurden Betriebe in der Erhebungswelle 2012 des BIBB-Qualifizierungspanels gefragt, wie zufrieden sie mit den beruflichen Kompetenzen der Beschäftigten in Abhängigkeit ihres Tätigkeitsniveaus sind. Berufliche Kompetenzen umfassen grundsätzlich die Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht und sozial kompetent zu verhalten. Hierfür wurden sieben berufliche Kompetenzen ausgewählt, die sowohl zentrale Kompetenzen aus dem Bereich der Dienstleistungsgewerbes als auch aus dem Produktionsbereich in Teilen abdecken.

Gestapeltes Balkendiagramm, das die Zufriedenheit der Betriebe mit beruflichen Kompetenzen der Beschäftigten mit qualifizierten Tätigkeiten im Jahr 2012 zeigt. Wird im Text erläutert. Zufriedenheit der Betriebe mit beruflichen Kompetenzen der Beschäftigten mit qualifizierten Tätigkeiten 2012 Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)

Im Durchschnitt sind Betriebe mit ihren Beschäftigten für einfache Tätigkeiten bei Mittelwerten zwischen 2,4 und 2,8 einigermaßen zufrieden. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Mehrzahl der beruflichen Kompetenzen hier zumeist nicht benötigt wird. Auffällig ist, dass gerade für diese Beschäftigtengruppe, die zumeist für einfache Routinearbeiten eingesetzt wird, Kompetenzen wie Eigenverantwortung und Aufgabenflexibilität, die nur mittlere Zufriedenheitswerte von den Betrieben erhalten, generell erforderlich sind. Mit den Kompetenzen der Beschäftigten, die qualifizierte Tätigkeiten ausüben, ist man im Vergleich dazu insgesamt zufriedener (Durchschnittswerte 2,9 bis 3,2).


Hier wird ersichtlich, dass die zur Beurteilung vorgelegten Kompetenzen bis auf zwei Kompetenzen für die Tätigkeiten dieser Qualifikationsgruppe erforderlich sind. Die höchsten Durchschnittswerte erreichen Beschäftigte mit hochqualifizierten Tätigkeiten. Fast sämtliche Beurteilungen liegen zwischen zufrieden und sehr zufrieden. Hier sind kaum noch Kompetenzen erkennbar, die eine geringe Rolle in den Tätigkeiten dieser Qualifikationsgruppe spielen.







Datentabellen:
Zufriedenheit der Betriebe mit beruflichen Kompetenzen der Beschäftigten mit einfachen Tätigkeiten 2012 (xls, 40 KB, Datei ist nicht barrierefrei)
Zufriedenheit der Betriebe mit beruflichen Kompetenzen der Beschäftigten mit qualifizierten Tätigkeiten 2012 (xls, 40 KB, Datei ist nicht barrierefrei)
Zufriedenheit der Betriebe mit beruflichen Kompetenzen der Beschäftigten mit hochqualifizierten Tätigkeiten 2012 (xls, 40 KB, Datei ist nicht barrierefrei)


Wechsel des erlernten Berufs

Beschäftigte nach Qualifikationsniveau 2018

Die horizontale Dimension (Fachadäquanz) bezieht sich auf die fachliche Überein­stimmung zwischen erlerntem und ausgeübtem Beruf. Die Berufswechselquote variiert mit dem Qualifikationsniveau. Ein vollständiger Wechsel des erlernten Berufs liegt vor, wenn die ausgeübte Tätigkeit mit der (letzten) Ausbildung nichts mehr zu tun hat. In der Gruppe der Erwerbstätigen mit Berufsausbildung wurde der erlernte Beruf am häufigsten gewechselt; mehr als jeder dritte Erwerbstätige (36,6 %) arbeitet aktuell nicht im erlernten Beruf. Unter den Erwerbstätigen mit Hochschulabschluss hat nur jeder Fünfte den Beruf gewechselt (20,2 %), ähnlich wie bei Erwerbstätigen mit Fortbildungsabschluss (20,4 %). In der Gruppe der Akademiker/-innen sind hingegen deutlich mehr partielle Berufswechsel (Tätigkeiten in einem verwandten Beruf) zu beobachten. Unter Erwerbstätigen mit Berufsausbildung und Hochschulabschluss ist somit der Anteil jener, die in einem erlernten Beruf tätig sind, ähnlich hoch (29,0 % bzw. 31,3 %). Deutlich höher liegt dieser Anteil bei Erwerbstätige mit Fortbildungsabschluss (38,1 %). Zu erwähnen ist, dass lediglich ein Viertel der Berufswechsler unfreiwillig gewechselt hat. Dabei zeigen sich kaum Unterschiede in der Freiwilligkeit des Berufswechsels in Abhängigkeit vom Qualifikationsniveau

Datentabelle:
Wechsel des erlernten Berufs nach Qualifikationsniveau 2018 (xls, 38 KB, Datei ist nicht barrierefrei)

Beschäftigte im Zeitvergleich

Gestapeltes Säulendiagramm, das die Berufswechselquote in Deutschland im Zeitvergleich zeigt. Wird im Text erläutert. Wechsel des erlernten Berufs im Zeitvergleich Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)

Ausbildungsadäquate Erwerbstätigkeit hat zwei verschiedene Dimensionen, die analytisch zu trennen sind: die vertikale (qualifikationsbezogene Passung) und die horizontale Dimension (Fachadäquanz). Erste bezieht sich auf die Entsprechung zwischen dem Qualifikationsniveau und dem Anforde­rungsniveau der Tätigkeit (siehe Unterwertige Erwerbstätigkeit). Die horizontale Dimension – hier dargestellt – bezieht sich auf die fachliche Übereinstimmung zwischen erlerntem und ausgeübtem Beruf. Dabei wurden die Erwerbstätigen gefragt: "Wenn Sie einmal Ihre jetzige Tätigkeit mit Ihrer Ausbildung als <…> vergleichen, was würden Sie dann sagen: Die Tätigkeit entspricht dem, worauf diese Ausbildung üblicherweise vorbereitet, die Tätigkeit ist mit dieser Ausbildung verwandt oder die Tätigkeit hat mit dieser Ausbildung nichts mehr zu tun."

Ein vollständiger Wechsel des erlernten Berufs liegt dann vor, wenn die ausgeübte Tätigkeit mit der (letzten) Ausbildung nichts mehr zu tun hat. Ein partieller Wechsel des erlernten Berufs liegt dann vor, wenn erlernter und ausgeübter Beruf zumindest verwandt sind. 2018 arbeiten 30,3 % der Erwerbstätigen außerhalb ihres erlernten Berufs. Im Zeitverlauf zeigt sich, dass die Berufs­wechselquoten relativ stabil sind (2006: 31,1 %). Im erlernten Beruf arbeitet rund ein Drittel der Erwerbstätigen, die Quote ist 2008 mit 30,6 % nur leicht gesunken seit 2006 (31,8 %). Die Quote des partiellen Berufswechsels (Tätigkeit in einem verwandten Beruf) ist seit den letzten Jahren leicht gestiegen. Sie lag im Jahr 2018 bei 39,1 %. 2006 lag sie noch bei 37,1 %.

Datentabelle:
Wechsel des erlernten Berufs (xls, 38 KB, Datei ist nicht barrierefrei)

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